Die Chronik: Der Ukrainekrieg

Foto Pixabay

.

Kolosser 2,15

Dienstag 26.4.22 – SONNTAG QUASIMODOGENITI – Der Predigttext: Kolosser 2,12-15 Kolosser 2,15 – Pfarrer Dr. Alexander Kupsch, Balingen – Gewaltlosigkeit in der Nachfolge - Ein feste Burg ist unser Gott … - Die Chronik: Der UkrainekriegUkrainekrieg: Die Hintergründe und die Geschichte der russischen Invasion

Sich selbst durch Christus von Selbstermächtigung zunehmend vollständig entkleiden lassen, um wie Jesus zu seiner Zeit – mit ihm auferstanden - früher oder später zu erleben, dass die großen und kleinen Machthaber entweder sich auch entkleiden zu lassen oder gerichtet zu werden 

Die Orientierung:

Kolosser 2,15 »Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und über sie triumphiert in Christus.“  

Entkleidete Mächte – das klingt ein wenig nach dem nackten Kaiser im Märchen. Und tatsächlich, so weit sind diese beiden Texte gar nicht voneinander entfernt. In beiden geht es um Mächte und Gewalten. Im Märchen ist die Macht der eitle Kaiser, um den herum der ganze Hof einen Eiertanz aufführt. Bei den Christen in Kolossä ging es um himmlische Mächte, um kosmische Kräfte, vor denen die Menschen sich fürchteten. Sie glaubten daran, dass man mit den Elementen Feuer-Erde-Wasser-Luft in Einklang leben müsste, sonst drohten Schicksalsschläge. Es klingt ein wenig abergläubisch, aber die Angst vor den Mächten des Kosmos ist für die Christen damals nicht weniger real als unsere Angst davor, krank zu werden, einen geliebten Menschen zu verlieren, beruflich zu scheitern oder einsam zu sein. Und weil wir Menschen sich vor Mächten und Gewalten fürchten, versuchen wir sie, sie zu besänftigen. Dadurch, dass wir auf unsere Ernährung achten, dass wir Fleisch und unreine Pflanzen nicht essen, dass wir fasten, dass wir uns am Lauf der Sterne und des Mondes ausrichten, dass wir neben Gott auch Engelwesen verehren. Aus Angst vor der Macht der himmlischen Kräfte werden auch wir Christen unfrei, wir zwingen uns selbst einen Lebensstil auf, in dem sich alles um die Selbstdisziplin dreht, nach dem Motto: Wer sich selbst unter Kontrolle hat, muss die unkontrollierbaren Lebensmächte nicht fürchten – oder wenigstens nicht so sehr. Wer seine Ernährung, sein Zeitmanagement, sein Verhalten diszipliniert, der hat Chancen, den Unwägbarkeiten des Lebens zu entgehen.

Die Antwort des Kolosserbriefs ist eindeutig: Wer so lebt, der hat Ostern verpasst. Wer sich so einengen lässt und seine Freiheit der Furcht unterwirft vor dem, was kommen kann im Leben, der hat noch nicht wirklich verstanden, was die Auferstehung Jesu bedeutet. Denn die Auferstehung ist nicht irgendein erstaunliches Wunder, sie ist auch mehr als die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Die Auferstehung ist ein Machtbeweis: Gott hat die Macht auf Erden, niemand sonst, kein Kaiser und kein König. Gott hat die Macht, keine Engel und keine Elemente, keine Krankheit und keine Konstellation der Sterne, kein Schicksal und kein Chef. „Jesus Christus ist Sieger!“ So hat es der Theologe Johann Christoph Blumhardt gesagt, und er hat damit gemeint: Was auch immer in dieser Welt groß und mächtig erscheint, Christus ist größer. Was auch immer uns zu überwältigen droht, Christus ist stärker.

Wenn wir in diesen Tagen in Richtung Ukraine blicken, stellt sich allerdings die Frage: Gilt Ostern auch dort? Was ist mit den entkleideten Mächten und Gewalten, wenn unschuldige Menschen getötet und Kinder vertrieben werden? Wo ist der Sieger Christus in Mariupol und Kiew? Mit einem kindlichen Lachen über die entkleideten Mächte ist es da nicht getan.

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben: Da sind Mächte und Gewalten am Werk, die nicht nur Angst machen, sondern Zerstörung anrichten. Da sind Menschen an der Macht, die anderen ihren Willen aufzuzwingen versuchen mit Rücksichtslosigkeit und Gewalt. Was hilft da unsere christliche Osterbotschaft? Was hilft da das Wort vom Auferstandenen? Trotz Ostern gibt es Krieg. Trotz der Auferstehung leiden Menschen und sterben Menschen.
Doch wenn es wahr ist, was der Kolosserbrief sagt; wenn Gott wirklich die letzte Macht in seiner Hand hat und keiner sonst, dann müssen die Gewalttäter sich hüten, denn ihre Macht ist nur eine eingebildete Macht. Wenn Christus Sieger ist, dann werden alle Tyrannen fallen, früher oder später. Wir haben es in unserer eigenen Geschichte erlebt: Ein Tyrann, der von einem ewigen Reich deutscher Nation fantasiert hat – nach zwölf Jahren an der Macht lag er tot in einem Bunker inmitten einer verwüsteten Stadt. Größenwahn rächt sich, und die Ungerechtigkeit, die auf dem Weg geschieht, bleibt nicht ungestraft.

»Der Kaiser ist nackt!« Es bleibt die Wahrheit, auch wenn die Welt noch unter den Machtphantasien leidet. Christus ist Sieger, und die Gewalten sind schon entthront! Wir brauchen nur Mut, es auszusprechen und daran festzuhalten: „Er hat die Mächte und Gewalten ihrer Macht entkleidet und sie öffentlich zur Schau gestellt und über sie triumphiert in Christus.“ (Kolosser 2,15) Pfarrer Dr. Alexander Kupsch, Balingen aus seiner Predigt zum SONNTAG QUASIMODOGENITI 2022