Das Reich Gottes

So faszinierend eine transzendenzbezogene Diesseitigkeit ist und so anrührend solche Ahnung eines Lebens in Fülle (Johannesevangelium 10,10): Reich Gottes ist etwas ganz anderes. Es wäre jene unausdenkliche Wirklichkeit, in welcher Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf versöhnte Weise in eins fallen; in welcher alle, die Lebenden und die Toten, im Lichte Gottes leben: selig versöhnt und einander vertraut. Es wäre jenes Utopia, in welchem den ungezählten Opfern der Geschichte und der Naturkatastrophen Recht widerfährt. Es wäre buchstäblich Neuschöpfung der Welt, eine geschichtliche wie kosmische Transsubstantiation. Ein rein diesseitiger Blick auf das Reich Gottes läuft Gefahr, die Toten zu vergessen. Wo aber die Toten, für die wir nichts mehr tun können, aus dem Blick geraten, haben wir auch für die Lebenden alsbald nur noch ausgelaugte Versprechen parat (J. B. Metz). Reich Gottes wäre beides: eine Diesseitigkeit voller Transzendenz, weil die Transzendenz ganz diesseitig geworden ist. All dies ist jenseits unserer Möglichkeiten, wir können das Reich Gottes nicht machen. Was wir können, ist einzig, um seine Ankunft performativ zu beten - etwa so:

> Gott, du lässt uns in deinem Sohn ahnen, was die Welt sein könnte, wenn wir es wagten zu leben wie er. / Lass uns nicht zufrieden sein mit der Welt und mit uns selbst. / Schenke uns den Mut, um heute zu tun, was wir können, und alles zu erwarten von der Zukunft, die angebrochen ist in Jesus, unserem Herrn. < Joachim Negel aus PUBLIK FORUM 16/2023

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Markus 4,26-28

Montag 5.2.2024 – SONNTAG SEXAGESIMAE - Der Fokus: Markus 4,26-29 Das Gleichnis vom Wachsen der Saat - Markus 4,26-28Das Reich Gottes - Dekanin Dr. Brigitte Müller, Brackenheim

Die Worte Gottes ja Jesus selbst in uns aufgehen lassen und wie er sie aussäen lernen, um dann vertrauensvoll – ja mit großem Genuss – zu erleben, wie das Reich Gottes, sein Einfluss in uns und anderen Menschen zunimmt

Der Lebensstil: 

Markus 4,26-28 „Mit dem Reich Gottes", erklärte er, "verhält es sich wie mit einem Bauern, der seinen Acker besät hat. Er legt sich schlafen, steht wieder auf, ein Tag folgt dem anderen. Währenddessen geht die Saat auf und wächst - wie, das weiß er selber nicht.  Die Erde bringt von selbst die Frucht hervor: zuerst den Halm, dann die Ähre und zuletzt das volle Korn in der Ähre. 

Was ist das für ein Mensch, von dem Jesus da erzählt? Er bleibt namenlos. Ohne jedes Charakteristikum. Nicht einmal „Sämann“ wird er genannt oder „Bauer“. „Ein Mensch“, sagt Jesus. Neutraler geht es nicht, geradezu farblos. Und das, wo Jesus doch sonst viel farbiger erzählt. Es kommt offensichtlich nicht auf diesen einen Menschen an.
 
Das ist ärgerlich. Denn wie sollen wir uns mit einer solch blassen Figur identifizieren oder uns an ihr abarbeiten? Wenigstens ein bisschen aufregen wollen wir uns über diesen Menschen: Geht der einfach nach Hause, schläft und steht auf, schläft und steht auf … Nacht und Tag … und kümmert sich nicht um den Acker. Und lässt den lieben Gott einen guten Mann sein. Wo gibt’s denn sowas?
 
Was inzwischen auf dem Acker passiert? Nun, der Same geht auf, der Halm wächst und die Ähre und das Korn. – Jesus malt ein beschauliches Idyll. Aber jeder Landwirt weiß, dass es nicht damit getan ist, tagsüber ein bisschen auf dem Traktor zu sitzen und abends auf der Bank vor der Scheune. Von allein verkommt der Acker. Von allein wachsen auf einem Bauernhof nur Chaos und Schulden. Man kann dem Korn nicht beim Wachsen helfen. Das ist klar. Man kann nur Steine absammeln, Unkraut heraushacken, bewässern … Das ist notwendig und gut.
 
Mehr kann der Mensch am Reich Gottes auch nicht tun … eher weniger, wenn Jesus Recht hat. Denn das Reich Gottes ist eine eigene Welt Gottes in unserer Welt. In ihr verborgen und doch mit ihr verbunden und verschränkt. Beide Welten liegen ineinander. In beiden aber ist Gott selbst am Werk. So schlicht unsere Erzählung auch daherkommt, so tiefgründig ist sie doch.
 
In unserer Welt, in unserer Erfahrung, wächst die Saat „automatisch“, von selbst, wie es im Griechischen heißt. Aber ungefährdet wächst sie nie. Auch nicht die Saat des Reiches Gottes, die Botschaft der Barmherzigkeit und der Gerechtigkeit. Die wurde schon immer zertrampelt. Und das schon gleich nach der Aussaat, nämlich am Kreuz. Gründlich wie man vorging, hat man nicht nur die Saat, sondern mit ihr auch den Sämann – Jesus selbst – niedergetreten und aufgehängt. Aber seine Saat ist dennoch aufgegangen, „von selbst“; will heißen: trotz menschlichen Widerstands, durch Gottes Kraft.
 
Was ist nun, wenn wir das Gleichnis deuten wollen, unsere Rolle in diesem Drama von Gottes Welt? Was ist unsere Aufgabe? – Ganz einfach: in der Spur Jesu den Acker bestellen. Jahr für Jahr. Schlafen und aufstehen, schlafen und aufstehen … zuversichtlich, dass die Saat aufgeht und wächst und Frucht bringt, weil sie durch Gottes Kraft wächst.
 
Es kommt der Punkt, wo man das Geschehen sich selbst überlassen muss, um nichts zu verderben. Aber wichtig ist es, den Anstoß zu geben, das Geschehen in Gang zu setzen, mit den Worten des Gleichnisses: Samen aufs Land zu werfen. Das könnte unsere Rolle in der Welt Gottes sein. Unverdrossen die Botschaft der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit weiter zu tragen.

Unser Mensch im Gleichnis schläft gut. Jedenfalls ist nichts Anderes gesagt. Und Gottes Welt kommt trotzdem. Automatisch. Wir wissen nicht wie. Dekanin Dr. Brigitte Müller, Brackenheim aus ihrer Predigt zum SONNTAG SEXAGESIMAE 2024


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Matthäus 11,3-6 / Jesaja 35,4-6

Dienstag 19.12.2023 – 3.ADVENT - Matthäus 11,3-6 / Jesaja 35,4-6Das Reich Gottes / Johannes der TäuferPrälatin Gabriele Wulz, Ulm

Kommen, hören und sehen was Jesus getan hat, wie wenn es heute passiert, um davon erfasst, die wunderbare Herrschaft Gottes heute zu erwarten, auch wenn sich nichts aktuell ereignet 

Die Orientierung: 

Matthäus 11,3-6 Er ließ ihn fragen: "Bist du wirklich der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?" Jesus gab ihnen zur Antwort: "Geht zu Johannes und berichtet ihm, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote werden auferweckt, Armen wird gute Botschaft verkündigt. Und glücklich ist der zu nennen, der sich nicht von mir abwendet." 

Wenn ich meine Ruhe haben möchte und am liebsten alles ausblenden würde, was um mich herum ist, dann brennen drei Kerzen am Adventskranz und erinnern mich an den Rufer in der Wüste. An den Propheten, der kompromisslos sein Leben riskiert. Der Herodes die Wahrheit ins Gesicht schleudert und der dafür mit dem Leben bezahlt. Der 3. Advent gehört Johannes dem Täufer. Er ist der Vorläufer Jesu, so zeichnen ihn die Evangelien. Und es gibt im Neuen Testament genügend Spuren, die auf eine enge Beziehung, aber auch auf die Konkurrenz zwischen den beiden hinweisen.

Hören und sehen. Sich selbst ein Urteil bilden. Selbst die Antwort finden. Jesus macht es den Seinen nicht leicht. Sie müssen entscheiden. Sie fällen das Urteil. Auf sie kommt es an. Entscheidend ist dabei zuerst das Hören. Für die Jünger des Johannes, aber auch für die Jesusjünger war klar: Auf die Schrift ist zu hören. Auf die Verheißungen der Propheten. Auf alles, was unseren Horizont und unser Leben so heilsam übersteigt. Auf alles, was aus uns hoffnungslosen und erwartungslosen Fällen zu wirklichen Menschen macht. Beim Propheten Jesaja finden wir's, wenn wir es nachlesen wollen: 

Jesaja 35,4-6 Stärkt die müden Hände und erquickt die strauchelnden Kniee!  Saget den verzagten Herzen: Seid getrost, fürchtet euch nicht! Sehet, euer Gott, der kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen. Alsdann werden der Blinden Augen aufgetan werden, und der Tauben Ohren geöffnet werden;  alsdann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch, und der Stummen Zunge wird Lob sagen. Denn es werden Wasser in der Wüste hin und wieder fließen und Ströme im dürren Lande.

Das geschieht. Hier und jetzt, sagt Jesus den Fragestellern. Im Mangel, in der Leere, in der öden Wirklichkeit, im beschädigten Leben strahlt der Reichtum Gottes, die Fülle seiner Herrlichkeit auf. Deshalb sollen auch wir uns nicht mit dem Elend arrangieren und abfinden. Sondern sollen hören und wahrnehmen, dass Gott mit uns anderes im Sinn hat. Dass er Gutes im Sinn hat. Dass er unsere Rettung im Sinn hat. Das ist nun tatsächlich auch zu sehen!

Das, was verheißen ist, geschieht. Mit eigenen Augen können die Johannesjünger sehen, was geschieht, wenn Jesus ins Spiel kommt. Die Wahrnehmung geschärft durch das Wort der Schrift, können sie begreifen, was von Jesus zu halten ist. Was in der Bibel als zukünftige Welt erwartet wird, ist ein gutes Stück näher gerückt, wenn sie, wenn wir den Worten Jesu trauen. Ja, sogar ganz nah an unsere geschundene und geplagte Welt herangekommen. Die neue Welt ist zum Greifen nah! Wie mag das in den Ohren eines Menschen klingen, der gefangen liegt? Und: Wie klingt das in unseren Ohren, die wir heute die dritte Kerze am Adventskranz angezündet haben?
 
Messianisches Leben – oder: die Utopie zum Greifen nah. Jesus, liebe Gemeinde, lebt ein Leben in Liebe mit den Menschen und für die Menschen. Und was damit in Bewegung kommt, sprengt jede Erwartung, jede Vorstellung. Jesus hält ein Leben in Liebe für menschenmöglich – für durch Gott möglich, aber eben auch für menschenmöglich. Er hält ein Leben ohne Hass für möglich. Ein Leben, in dem Krankheit überwunden werden kann. Ein Leben, in dem der Tod nicht mehr als letzter Feind des Menschen wirksam ist. Jesus lässt uns die Worte der Schrift neu hören – und erinnert uns an eine Welt, in der es anders ist und in der es anders kommt. Prälatin Gabriele Wulz, Ulm aus ihrer Predigt zum 3.Advent 2023

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Matthäus 13,33

Donnerstag 9.3.2023 – Der Fokus: Matthäus 13,24-33 Die Gleichnis vom Weizenfeld, dem Senfkorn und dem Sauerteig - Matthäus 13,33Das Reich Gottes - Holgus

Den Sauerteig in uns, das Reich Gottes in uns, immer wieder neu entstehen, dann in unser Leben einmischen und dann aufgehen lassen, dass durch unser Christsein das Evangelium die Menschheit für Gott aufgehen lässt

Der Lebensstil: 

Matthäus 13,33 Jesus erzählte noch ein Gleichnis: "Mit dem Reich, das der Himmel regiert, ist es wie mit dem Sauerteig, den eine Frau nimmt und unter einen halben Sack Mehl mischt. Am Ende ist die ganze Masse durchsäuert." 

Niemand weiß wer den Sauerteig erfunden hat. Das Rezept anzuwenden ist ein komplizierter Vorgang, nur gut dass es so etwa 34 Stammrezepturen gibt, aus dem er einfacher herzustellen ist. Gekauft im Supermarkt, hat er von selbst die Fähigkeit, wenn er entsprechend in Flüssigkeit aufgelöst ist, in Mehl eingemischt wird, zu einem Teig aufzugehen, der wenn er gebacken wird ganz aufgeht. Das Ergebnis ist ein wunderbar bekömmliches, gut schmeckendes Brot. Den Sauerteig, den Jesus in seinem Gleichnis erwähnt ist wohl sein Evangelium, eine Erfindung Gottes, die die Menschheit durchdringen soll. Wir können und müssen es nicht selbst herstellen, sondern können aus Sauerteig immer wieder neuen herstellen. Aber auch da müssen die Rezepte genau eingehalten werden und die für die Herstellung des Teigs. Wir bekommen jeden Tag nur etwas gebacken, können ihn nur dann voll ausfüllen, wenn wir aus dem Sauerteig des Wortes Gottes, in uns neuen entstehen lassen und ihn warm in unseren Umfeldern aufgehen lassen. Dann ist unser Leben genießbar für uns selbst und für andere. Jeden Tag haben wir da etwas dazu zu lernen, besonders dann, wenn wir mit anderen etwas gebacken kriegen wollen. Da sind die Prozesse noch schwieriger zu lernen und fruchtbar zu gestalten. Die Rezepte dafür kann uns nur der Heilige Geist aufschließen und uns die Kraft geben sie anzuwenden. Dann sind wir – auch gemeinsam – in der Lage den Sauerteig in unsere Umfelder von selbst durchdringen und zu einem wunderbaren Werk aufgehen und genießbar werden zu lassen. Uns Christen sollte das immer besser gelingen, dass das Reich Gottes, der Einfluss Gottes in dieser Welt zunimmt und aufgeht Holgus 9.3.2023

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Matthäus 25,21

Donnerstag 14.6.2012 – Der Fokus: Matthäus 25,14-30 Die anvertrauten Pfunde – Matthäus 25,21Das Reich GottesLeonhard Ragaz RAGDGJ 204

Das Reich Gottes dankbar als geschenktes Kapital erleben, das wir wahrnehmen dürfen und das wir dann vervielfachen können, aber auch sollen

Die Orientierung: 

Matthäus 25,21 'Hervorragend!', sagte sein Herr. 'Du bist ein guter Mann! Du hast das Wenige zuverlässig verwaltet, ich will dir viel anvertrauen. Komm herein zu meinem Freudenfest!'

Das Reich Gottes selbst ist nicht eine Forderung, jedenfalls nicht in erster Linie, sondern ein Geschenk. Es ist nicht ein Anspruch, sondern ein Angebot. Das Reich Gottes will doch gerade die Dürftigkeit des Lebens aufheben durch seinen Reichtum; es will doch gerade das Unrecht gut machen durch sein Recht. Und das Reich Gottes ist ein so einfache Sache. Es erfordert gar keine besonderen Gaben – es gibt selbst. Es ist gerade für die Kleinen und Schwachen; denn die Großen und Starken, glauben nur zu leicht, sie brauchen es nicht. – Es kommt ganz und gar nur auf Eines an: die Treue. In dieser Treue haben immer und immer wieder Kleine und Schwache Großes getan, das Reich Gottes getragen und gefördert. – Jedem der das Reich annimmt, wird die Unendlichkeit geschenkt, auch wer ihm ganz im Kleinen und Bescheidenen dient – jedem wir königliche Herrlichkeit zuteil. Leonhard Ragaz aus „Die Gleichnisse von Jesus“ Seite 204