Anselm Grün - Jesus als Therapeut

Anselm Grün - Jesus als Therapeut

Foto Holgus

Mit Polarisierungen und Spaltungen rechnen, um an ihnen zu reifen, indem wir eine eigenständige, aber auch differenzierte Haltung einnehmen

Lukas 12,51-53

Donnerstag 21.2.2019 – Die Chronik: Die Passion des KönigsDer Fokus: Lukuas 12,41-13,9 –  Lukas 12,51-53GRÜJAT 79f - Das Leben unter den Nächsten: Das Leben in der Familie

Die Orientierung

Lukas 12,51-53 Meinet ihr, daß ich gekommen sei, Frieden zu spenden auf Erden? Nein, ich sage euch, sondern eher Zwietracht. Denn von nun an werden fünf in einem Hause entzweit sein, drei wider zwei und zwei wider drei, der Vater wider den Sohn und der Sohn wider den Vater, die Mutter wider die Tochter und die Tochter wider die Mutter, die Schwiegermutter wider ihre Schwiegertochter und die Schwiegertochter wider ihre Schwiegermutter.

Mit diesem provozierenden Wort will Jesus nicht unsere Familienstreitigkeiten sanktionieren. Er will uns vielmehr davor bewahren, uns von anderen Menschen bestimmen zu lassen und so das eigene Gespür für das Stimmige um der Harmonie willen zu unterdrücken. Es gibt auch einen faulen Frieden, eine künstliche Harmonie. Es gibt in der Familie die Harmonisierer, die keinen Konflikt aushalten und daher alles mit frommen Worten zudecken wollen. – Jesus will uns ermutigen, dass wir uns zuerst einmal von den anderen in einem guten Sinn distanzieren. Wir müssen den eigenen Stand finden und auf eigenen Füßen stehen. Nur so sind wirkliche  Beziehungen möglich. In vielen familien gibt es keine wirklichen Beziehungen. Da wir alles der Familientradition unterworfen. – Erst der freie Mensch der sich gefunden hat, versteht was Jesus von uns will. Er lässt sich dann auf Jesu Botschaft ein. Manchmal aber verwechseln wir die Botschaft Jesu mit Wohlanständigkeit und Anpassung. Jesus will den freien Menschen. Er provoziert uns, die eigene Freiheit zu wagen, um so wirklich beziehungsfähig zu werden. Anselm Grün – Jesus als Therapeut Seite 79f

Die Familie: 

Die Bibel berichtet uns von der Heilung der Beziehungen zwischen den Eltern und ihren Kindern. Die Evangelien erzählen uns vier klassische Beziehungsgeschichten: Vater-Tochter (Markus 5,21-43), Mutter-Toch- ter (Markus 7,24-30), Vater-Sohn (Markus 9,14-29) und Mutter-Sohn (Lukas 7,11-17). Jesus erscheint in diesen Geschichten als Familientherapeut, der schon vor zweitausend Jahren vorweggenommen hat, was uns heutige Familientherapie lehrt. Da ich diese vier Beziehungsgeschichten in meinem Buch Finde deine Lebensspur. Die Wunden der Kindheit heilen ausführlich ausgelegt habe, möchte ich mich hier darauf beschränken, die Therapiemethoden von Jesus bei der Familientherapie zu beschreiben, 

In diesen vier Geschichten können wir beobachten, dass Jesus nie nur den Sohn oder die Tochter, sondern immer auch Vater und Mutter behandelt. Er verteilt aber keine Schuldgefühle. Er vermittelt weder Vater und Mutter noch Sohn und Tochter, dass sie an den Problemen oder Krankheiten schuld seien. Er geht einfach von Verwicklungen aus, die entstanden sind. Und er versteht seine Therapie als Auflösung dieser Verwicklungen. Dabei ist es allerdings nötig, dass sowohl Eltern als auch Kinder neue Verhaltensweisen einüben und so ein besseres Miteinander möglich wird. Anselm Grün aus "Jesus als Therapeut" Seite 139